Biologie des Alters, Wissenschaftler

Altersforschung: Interview mit Dr. Thomas Leech vom Max Planck Institut für Biologie des Alterns

Dr. Thomas Leech ist Molekularbiologe und Forscher am Max-Planck-Institut für die Biologie des Alterns. Als Teil des Forschungsteams um Prof. Dr. Linda Partridge befasst sich der Wissenschaftler mit pharmakologischen und genetischen Eingriffen in den Alterungsprozess und in altersbedingte Krankheiten. Er ist Experte auf dem Gebiet der Biologie des Alterns und untersucht die zugrunde liegenden Mechanismen.


Dr. Leech, was ist Altern?

Einfach ausgedrückt, ist Altern die allmähliche Verschlechterung der Gesundheit eines Organismus im Laufe der Zeit. Ein Prozess, der mit dem Tod endet.


Wann beginnt das Altern?

Das Altern beginnt, sobald die Entwicklung abgeschlossen ist. Mit Anfang 20, nach der Pubertät, beginnt der Verfall unserer Gesundheit. Normalerweise fallen als erstes feine Fältchen um die Augen auf. Das ist natürlich harmlos, doch mit der Zeit kommen ernstere gesundheitliche Aspekte hinzu.


Was weiß die Wissenschaft derzeit darüber, wie sich das Altern im Körper manifestiert?

Früher wurde viel über die verschiedenen Alterungsmechanismen und ihre Bedeutung diskutiert. Im Jahr 2013 veröffentlichten die Leiterin meiner Forschungsgruppe, Prof. Dr. Linda Partridge, und einige andere Forscher eine Arbeit über die sogenannten Hallmarks of Aging. Zu den Hallmarks gehören genomische Instabilität, Telomerabnutzung, deregulierte Nährstofferkennung und einige mehr. Die Arbeit ist immer noch sehr aktuell und wir beziehen uns immer wieder darauf.


Sie arbeiten am Max-Plank-Institut für Biologie des Alterns. Woran arbeiten Sie gerade?

Meine Kollegen und ich beschäftigen uns unter anderem mit pharmazeutischen Alterungsinterventionen mit Rapamycin. Rapamycin ist ein zugelassenes Medikament, das derzeit gegen die Abstoßung eines Organs nach einer Transplantation eingesetzt wird.

Zahlreiche Studien zeigen, dass Rapamycin die Lebensdauer mehrerer Spezien, einschließlich gängiger Labormodelle wie Mäuse und Fliegen, zuverlässig verlängert. Rapamycin hat jedoch einen Nachteil; es unterdrückt das Immunsystem, was nicht zu unterschätzen ist. In unserem Projekt haben wir nach Möglichkeiten gesucht, diese Nebenwirkung abzumildern.

Insbesondere haben wir die kürzeste Zeit gemessen, in der wir das Medikament dem Modellorganismus verabreichen können, und gleichzeitig die bestmöglichen Gesundheitsergebnisse beibehalten. Wir haben herausgefunden, dass Fliegen ein “Rapamycin-Gedächtnis” entwickeln, wenn wir ihnen Rapamycin während der ersten 15 Tage ihres Lebens verabreichen. Dieses Gedächtnis hält an bis zu ihrem Lebensende. Das heißt, sie profitierten von dem selben Langlebigkeitseffekt wie jene Tiere, die ihr gesamtes Leben Rapamycin verabreicht bekommen haben. Wir haben das Experiment mit Mäusen wiederholt und die gleichen Ergebnisse gesehen: Sie profitieren Monate später von einer frühen Rapamycin-Intervention. Diese wissenschaftliche Arbeit wird in den nächsten Monaten in der Zeitschrift
Nature Aging erscheinen.


Wie wirkt Rapamycin im Körper?

Wie so oft, wenn wir uns mit der Verlangsamung des Alterungsprozesses befassen, kamen wir auch hier wieder auf den biologischen Prozess der Autophagie zurück. Autophagie ist die körpereigene Methode, um Zellschäden zu beseitigen. Bei kurzzeitiger Verabreichung von Rapamycin zu Beginn des Lebens verbesserte sich die Autophagie, auch nach dem Absetzen des Medikaments nachhaltig.

Wir haben aber auch festgestellt, dass wir immer noch Vorteile sehen, wenn wir Rapamycin später im Leben verabreicht haben. Allerdings konnte das „Rapamycin-Gedächtnis“ dann mehr aktiviert werden. So hat ab einem gewissen Alter nur noch die anhaltende Verabreichung des Medikaments eine verbesserte Autophagie gezeigt.


Welche Lifestyle-Maßnahmen setzen Sie persönlich für ein gesundes Altern um?

Ich habe mit dem Intervallfasten begonnen, die typische 16:8 Methode. Es gibt viele Belege in verschiedenen Modellen, die die Vorteile dieser zeitlich begrenzten Ernährungsweise zeigen, obwohl der Nutzen beim Menschen in Bezug auf die Verlängerung der Lebensdauer derzeit noch nicht ganz klar ist.

Eine weitere sehr vielversprechende Lifestyle-Massnahme, über die sich alle Experten und Expertinnen einig sind, ist Bewegung. Jeder profitiert davon und jeder kann die Art der sportlichen Betätigung finden, die seinen eigenen Bedürfnissen und Vorlieben entspricht. Die Idee dabei ist, dass wir ein gesundes Muskel-Fett-Verhältnis aufrechterhalten, da dies die allgemeine Gesundheit fördert. Je älter wir werden, desto schneller verlieren wir Muskelmasse. Regelmäßige Bewegung ist eine gute Möglichkeit, diesem Trend entgegenzuwirken.


Wo wird Ihrer Meinung nach die Alterns- und Langlebigkeitsforschung in 20 Jahren stehen?

In den nächsten 5 Jahren werden wir weitere pharmazeutische Studien sehen, die sich auf bestimmte Krankheiten fokussieren. Verglichen mit der Langlebigkeitsforschung verspricht dies kurzfristige Resultate, da Langlebigkeitsforschung im Menschen aufgrund der langen Lebenszeit Jahrzehnte dauert. Hoffentlich werden diese pharmakologischen Studien aufeinander aufbauen und die Belastung durch altersbedingte Krankheiten langsam verringern. Langfristig, sagen wir 10-20 Jahre, ist es möglich, dass wir mehr genetische Eingriffe sehen werden, um das Altern zu verlangsamen, aber diese Vorhersage ist etwas spekulativer.

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